Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Ministerin, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste,  

wir haben bereits vor einigen Wochen hier im Bundestag über das Meister-BAföG diskutiert. In dieser Debatte haben Sie, sehr geehrte Frau Ministerin, etwas ganz Bemerkenswertes gesagt. (Ja, auch das kommt vor!) Ich zitiere Sie noch einmal sinngemäß: 
…Es sei zwar richtig die Weiterbildungssituation und gegebenenfalls auch „Schreckensszenarien“ auf diesem Gebiet zu analysieren, entscheidend sei in der Politik aber, dass man handelt, dass man etwas macht … 

Politik bedeutet „Entscheiden“ und damit im Idealfall „entschiedenes Handeln“… da sind wir ganz bei Ihnen.  

Wenn diesem politischen Handeln aber keine fundierte Analyse dessen vorausgeht, was es zu ändern gilt, dann haben wir ein ganz offensichtliches Problem. Denn wer die Herausforderung nicht kennt, sehr geehrte Frau Ministerin, der handelt leider nicht selten am Problem vorbei.
Ich will mich an dieser Stelle aber gar nicht in Fundamentalopposition üben. Dass Ihre Reform des Meister-BAföG in unseren Augen nicht der ganz große Wurf ist, dürfte mittlerweile kein Geheimnis mehr sein. 
Trotzdem, auch das möchte ich aller Deutlichkeit sagen, ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung immer noch besser als kompletter Stillstand.  

Denn ja, es stimmt: Sie haben mit der Öffnung des „Meister-BAföG“ überfällige Anpassungen vollzogen. Und ja, es ist höchste Zeit, dass in Zukunft auch Bachelor-Absolventinnen und Studienabbrecher bei Aufstiegsfortbildungen gefördert werden können. Auch die Erhöhung von Leistungen und Freibeträgen ist richtig!

Der ein oder die andere Bildungsinteressierte hat dadurch in Zukunft wenigstens ein paar Euro mehr in der oft klammen Bildungskasse. Immerhin! Jeden zusätzlichen Euro für Bildung finden wir gut!
Wer aber behauptet, mit diesen Anpassungen echte Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung herzustellen, der ist schlicht unehrlich. Hier müssten Sie schon etwas mehr bieten!

Genau das haben übrigens – Sie werden sich alle erinnern – auch die Experten während der Anhörung im Bildungsausschuss bestätigt: Diese Reform, liebe Kolleginnen und Kollegen, gibt eben gerade nicht das notwendige Signal, dass diese Koalition etwas Wesentliches verstanden hat. Nämlich verstanden hat, dass Lebenslanges Lernen endlich für alle Menschen möglich werden muss.

Daran müssen Sie etwas ändern! Wer nimmt denn viel zu selten an Weiterbildungen teil? Das sind doch vor allem die Alleinerziehenden, die Menschen mit Migrationshintergrund, ausländische Mitbürgerinnen und natürlich die Geringqualifizierten. All diesen helfen die vorgelegten Änderungen beim Meister-BAföG aber leider herzlich wenig. Auch für diese Menschen tragen Sie aber die Verantwortung!

Vermutlich sagen Sie jetzt: Für die haben wir andere Programme und Instrumente: Bildungsprämie, Bildungsgutscheine, Bildungskredite, Bildungs-Schecks, Bildungsurlaub, Weiterbildungssparen und eine ganze Reihe an verschiedensten Länderprogrammen. 

Ja, es stimmt natürlich: das Meister-BAföG ist nicht das einzige Förderinstrument. Aber glauben Sie denn wirklich, dass Menschen bei dieser Vielzahl an unübersichtlichen Programmen noch den Überblick behalten können? Die Weiterbildungsbeteiligung ist in Deutschland doch auch deshalb so gering, weil kaum jemand weiß, welche Fördermöglichkeiten es überhaupt gibt.

Schaffen Sie also endlich Transparenz in diesem undurchsichtigen Dschungel! Vereinfachen Sie die Zugänge, damit auch bildungsferne Menschen am lebenslangen Lernen teilhaben können! Dazu gehören natürlich auch transparente, niedrigschwellige, qualitativ hochwertige und flächendeckende Beratungsangebote vor Ort.

Sehr geehrte Damen und Herren, es ist doch kein Zufall, dass in der reichen Industrienation Deutschland so wenige Menschen am lebenslangen Lernen teilnehmen. Das hat strukturelle Gründe und ganz offensichtlich reichen die derzeit bestehenden Förderinstrumente nicht aus. Es ist Ihre Aufgabe, diese Ungerechtigkeit zu beseitigen!

…Das Meister-BAföG sei ein entscheidender Beitrag zur Fachkräftesicherung, aber es sei kein Beitrag, der die gesamte Weiterbildungsthematik von A-Z regelt. Das sagte die zuständige Ministerin vor einigen Wochen hier im Plenum.

Warum eigentlich nicht? Trauen Sie es sich denn nicht zu, die gesamte Weiterbildung vom Kopf auf die Füße zu stellen? 

Lassen Sie mich hier mal einige Feststellungen machen:

  • Sie verfügen über eine parlamentarische 80-Prozent-Mehrheit.
  • Sie sind gemeinsam mit Arbeitgebern und Gewerkschaften Partner der großen Allianz für Aus- und Weiterbildung
  • Und der Bund hat im Jahr 2015 einen Haushaltsüberschuss in Höhe von 12 Milliarden erwirtschaftet.


Bessere Voraussetzungen für eine umfassende Strukturreform von A-Z kann es doch gar nicht geben! Diese Chance hätten Sie nutzen müssen! 

… Spätestens heute erfahren wir leider einmal mehr: Ihrer Koalition geht selbst bei kräftigem Rückenwind recht schnell die Puste aus…  

Wie eine sozial gerechte Weiterbildungsförderung aussehen kann, das haben wir in unserem grünen Antrag zur BildungsZeit Plus vorgelegt. Wir wollen das Aufstiegs-Fortbildungs-Förderungs-Gesetz so umbauen, dass es diesen Namen auch verdient! …

Mit einem individuellen Mix aus Zuschuss und Darlehen können wir echte Zugangsgerechtigkeit in der Weiterbildung schaffen. Dabei wollen wir die Lebens- und Einkommenssituation berücksichtigen und gerade die Schwächeren fördern.

Damit auch berufstätige breiten Zugang zu Fort- und Weiterbildungen haben, müssen endlich auch die Möglichkeiten der Arbeitszeitreduzierung ausgebaut und vereinfacht werden.

Unser Konzept ist sozial gerecht, denn es gilt der Grundsatz: Wer weniger hat, bekommt mehr und umgekehrt. Anders als beim Meister-BAföG sollen bei uns alle Menschen die Möglichkeit erhalten, beruflich aufzusteigen und sich persönlich weiterzuentwickeln. Denn das ist zukunftsfähig!

Auch Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD scheint ja langsam zu dämmern, dass diese Bundesregierung zu wenig tut, um Geringqualifizierte zu fördern. In der Frankfurter Rundschau vom 12. Februar beschreiben Sie, Herr Kollege Rossmann, wie eine sozial gerechte Weiterbildungsförderung eigentlich aussehen könnte und fordern die Bundesregierung zum Handeln auf. Ich freue mich natürlich, dass das Ende der Fahnenstange mit der Reform des Meister-BAföG auch für Sie noch nicht erreicht ist. Ich darf Sie aber auch daran erinnern, dass ihre Fraktion diese Bundesregierung mitträgt und damit selbst in der politischen Verantwortung steht.

Zeitungen mögen ein guter Ort sein, um medienwirksam für sich und die eigene Sache zu werben. Was am Ende aber zählt ist das, was Sie hier im Plenum des Deutschen Bundestages beschließen. Von Gastbeiträgen und dem Fingerzeig auf einen unwilligen Koalitionspartner allein wird jedenfalls kein einziger Mensch mit schlechteren Startchancen besser gefördert werden.

Ich möchte abschließend noch einmal, wie bei meiner letzten Rede hier im Bundestag, die Seite 24 des Koalitionsvertrages zitieren. Dort heißt es damals wie heute: 

„Angesichts des demografischen Wandels ist das lebenslange Lernen so wichtig wie nie. Diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe wollen wir im Rahmen der Allianz für Aus- und Weiterbildung bewältigen.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen: Stellen Sie sich dieser Aufgabe! Drehen Sie nicht nur an kleinen Stellschrauben! Nutzen Sie die breite Allianz für Aus- und Weiterbildung! Bei den Gewerkschaften stoßen Sie ganz sicher auf offene Ohren. Bei der Weiterbildung bleibt noch einiges zu tun!

Wir jedenfalls geben die Hoffnung nicht auf, dass diese Erkenntnis – ganz im Sinne des lebenslangen Lernens – eines Tages auch bei Ihnen ankommt. Ich bin überzeugt: Für Lernen und Erkenntnisgewinn ist es nie zu spät. Das gilt auch für Großkoalitionäre.