200630 sofa hoppingWohnungslosigkeit ist ein Thema über das in der Öffentlichkeit nur wenig bekannt ist. Dabei steigt die Zahl wohnungsloser Menschen seit Jahren an.

Immer häufiger sind auch Jugendliche und junge Erwachsene betroffen. Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass durch „versteckte“ Wohnungslosigkeit, sogenanntes „Sofa-Hopping“, eine hohe Dunkelziffer existiert. Das bedeutet, dass viele junge Menschen nicht obdachlos sind, also auf der Straße leben, sondern bei Freunden, Bekannten oder Verwandten unterkommen und dadurch in ungesicherten Wohnverhältnissen leben. Dadurch entstehen häufig Abhängigkeits- und sogar Ausbeutungsverhältnisse.

Die Ursachen sind vielfältig. Deshalb schlagen wir in unserem Antrag "Sofa-Hopping ist keine Perspektive - Strategien gegen Wohnungslosigkeit bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen" konkrete Instrumente und präventive Maßnahmen vor, um  die Situation betroffener junger Menschen zu verbessern.

Häufig existiert in der Öffentlichkeit immer noch die Annahme, Wohnungslosigkeit ist eine Folge von Drogenabhängigkeit und "falschen Freunden" in der Adoleszenz. Dabei ist die Palette an Gründen sehr viel breiter. Häufig sind Care Leaver gefährdet und betroffen sowie Jugendliche mit (traumatischen) Gewalterfahrungen in den Herkunftsfamilien oder auch queere Jugendliche, die in ihren Familien nicht akzeptiert werden - in jedem Fall junge Menschen mit "belasteten" Biographien. 

Viele Forderungen des Antrags gehen auf die Ergebnisse eines Fachgesprächs mit zahlreichen Expert*innen zurück, das Beate Walter-Rosenheimer und die Grüne Bundestagsfraktion dazu im vergangenen Herbst veranstaltet hat. 

In unserem Antrag fordern wir die Bundesregierung auf, endlich wirkungsvolle Maßnahmen zu ergreifen und jungen Menschen in den oft angespannten Wohnungsmärkten mit teils unbezahlbaren Mietpreisen zu unterstützen, in gesicherten Wohnverhältnissen leben zu können. Denn Wohnen ist ein Menschenrecht. Und Wohnungslosigkeit eine extreme Form sozialer Ausgrenzung, die die Entwicklung und die Lebensperspektive junger Menschen nachhaltig schmälert, deshalb ist es eine politische und gesamtgesellschaftliche Aufgabe, ihr konsequent entgegenzuwirken.

Hier nun die wichtigsten Punkte des Antrags in Kürze: 

  1. Unsere Forderung (Punkt 7) nach einer Erhöhung der Altersgrenze für die Inanspruchnahme der Jugendhilfe nach §41 SGB VIII. Diese soll nun bis zum Ende des 25. Lebensjahres als uneingeschränkter subjektiver Rechtsanspruch gelten. Das und natürlich auch der Rechtsanspruch auf Rückkehr in die Jugendhilfe nach dem 18. Lebensjahr (§41 Abs.3 SGB VIII) ist auch in Hinblick auf die SGB VIII-Reform, die ja kurz bevor steht, ein starkes Grünes Signal.

  2. Housing-First (Forderung 5) in einer nationalen Strategie flächendeckend auszubauen. Dies zielt darauf ab, den Adressatinnen und Adressaten möglichst frühzeitig eigenen Wohnraum zu vermitteln und erst im Anschluss daran sozialpädagogische und therapeutische Maßnahmen zu ergreifen,. Das langwierige und oft durch Rückfälle geprägte Konzept des an Voraussetzungen geknüpften Stufenmodells zum eigenen Wohnraum soll auf diese Weise ergänzt werden. Bisher wird Wohnraum häufig an Bedingungen wie Schulbesuch oder Abstinenz gegenüber Suchtmitteln geknüpft und Traumatisierung und bisher erlernte Bindungsmuster nicht ausreichend berücksichtigt.

  3. Wir fordern eine weitere Ausgestaltung des Wohnungslosenberichterstattungsgesetzes. 
    Wir wollen, dass auch die Situation wohnungsloser Jugendlicher und junger Erwachsener in der die Statistik begleitenden Wohnungslosenberichterstattung angemessen berücksichtigt wird. 
    Denn, um der komplexen Situation von Wohnungslosigkeit bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen gerecht werden zu können, braucht es  eine  zielgenaue Erfassung ihrer Ausprägungen. Nur so können nachhaltige Maßnahmen für die Primärprävention und die Unterstützungssysteme besser weiterentwickelt werden.

  4. Wir fordern, ein bundesweites Netz an Wohnangeboten und Notschlafstellen zu schaffen und auszubauen (Forderung 4), die speziell für obdach- und wohnungslose junge Menschen bis 27 Jahren zur Verfügung stehen. Hierbei sollen auch Schutzräume für  Mädchen und junge Frauen und besonders vulnerablen Gruppen wie unter 20-Jährige  und LSBTI-Jugendliche entstehen.

  5. Wir fordern ausreichend bezahlbaren Wohnraum für Jugendliche und junge Erwachsene in Schule, Studium, Ausbildung und Start in den Beruf (Forderung 11).

  6. Wir wollen dass die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag zeitnah eine umfassende Studie zur Lebenssituation wohnungsloser und von Wohnungslosigkeit bedrohter junger Menschen vorlegt und außerdem ein regelmäßiges Monitoring der Ursachen und der Lebenssituation ermöglicht.