Sehr geehrter Herr Bundesinnenminister Seehofer,

Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union sind dramatisch. Zur Eindämmung des Coronavirus haben die Mitgliedstaaten der Europäischen Union bzw. des Schengenraums unter anderem auf Grenzschließungen zurückgegriffen. Die Grenzschließungen waren als Mittel zur Eindämmung der Pandemie für einen kurzen Zeitraum sicherlich sinnvoll, eine langanhaltende Schließung aller Grenzen ohne handfesten Plan zur erneuten Öffnung ist aber nicht mehr hinnehmbar.

Auch in Zeiten der Krise muss unter Wahrung des Infektionsschutzes der Grenzübertritt innerhalb eines vereinten Europas möglich sein. Gerade Deutschland liegt im Herzen Europas und vor allem in Zeiten der Krise ist die Einigkeit und Solidarität innerhalb der Europäischen Union besonders wichtig. Grenzkontrollen widersprechen grundsätzlich diesem europäischen Gedanken und dem Schengenabkommen, sie sollten daher ausnahmsweise nur insoweit eingeführt werden, wie sie für den Infektionsschutz unabdingbar sind.

Die Situation im Lebensalltag der Menschen wird zudem durch eine völlig unklare Kommunikation der geltenden Regelungen zum Grenzübertritt seitens der jeweils beteiligen Nachbarländer erschwert. Es ist ein Flickenteppich von Grenz-Maßnahmen entstanden. Die teilweise tägliche Änderung der online bekanntgegebenen Regelungen z.B. zum Zweck des Besuchs von Lebenspartner*innen sowie minderjähriger Kinder verwirrt Betroffene wie Polizeikräfte gleichermaßen und führt zu vermeidbarer Frustration in den Grenzregionen.

Damit Grenzschließungen, Einreisesperren ebenso wie de facto Ausreisesperren bald wieder der Vergangenheit angehören, sind Mitgliedstaaten wie EU-Kommission gleichermaßen gefragt, gemeinsam und schnell zu handeln. Es ist kaum nachvollziehbar, warum einzelne Mitgliedsstaaten in einem vereinten Europa die Grenzen schließen und Regelungen allein an Grenzen festmachen, anstatt angemessen und in Kooperation anhand der regionalen Infektionslage zu agieren. Die deutsche Bundesregierung muss gerade in Hinblick auf die bevorstehende EU-Ratspräsidentschaft Treiberin einer gemeinsamen Exit-Strategie des Rates aus dem Flickenteppich der Grenzmaßnahmen hin zu einem funktionierenden Schengen-Raum werden. Hier gilt es mit gutem Beispiel voranzugehen.

Das Virus selbst orientiert sich nicht an Staatsgrenzen. Vielmehr sind regional angemessene Maßnahmen ggf. auch grenzüberschreitend zur Eindämmung des Virus zu treffen. Wir fordern Sie daher auf:

  • alle aktuellen, mit Blick auf die Infektionslage nicht zwingend notwendigen
    Einschränkungen im Hinblick auf den Personenverkehr in Grenzregionen zurückzunehmen
  • ein mit den anderen EU-Mitgliedstaaten und der EU-Kommission abgestimmtes Konzept vorzulegen, das Freizügigkeit und Gesundheitsschutz vereint und auch regionale, ggf.
    grenzüberschreitende Lösungen im Blick hat.
  • eine Regelung einzuführen, die in einem ersten Schritt insbesondere auch nicht verheirateten oder eingetragenen Lebenspartnerinnen sowie Grenzpendlerinnen den uneingeschränkten Übertritt wieder gestattet und in einem zweiten Schritt Bewohner*innen der Grenzregionen mit einbezieht ebenso wie Dienstreisen.
  • eine klare Kommunikation der geltenden Regelungen zum Grenzübertritt zu erarbeiten.

Wir freuen uns auf Ihre Antwort!

Mit freundlichen Grüßen

Ekin Deligöz, MdB

Beate Walter-Rosenheimer, MdB

Dr. Anton Hofreiter, MdB

Margarete Bause, MdB

Claudia Roth,

MdB Uwe Kekeritz, MdB

Dieter Janecek, MdB

Dr. Manuela Rottmann, MdB

Lisa Badum, MdB

Stefan Schmidt, MdB

Erhard Grundl, MdB